Wie Chinas U-Bahn-Netze gewachsen sind
Seit 2002 investiert Peking massiv in den Ausbau seiner U-Bahn-Netze. Einen deutlichen Schub gab es rund um die Olympischen Spiele 2008 (Sommerolympiade 2008), als die Hauptstadt mehr als 36,8 Milliarden Euro in ihre Infrastruktur steckte. Seither stiegen die Gesamtausgaben für das U-Bahn-Netz in Peking auf über 138 Milliarden Euro, heute sind mehr als 870 km Streckennetz in Betrieb.
Ein auffälliges Beispiel ist die U-Bahn-Station Caojiawan in Chongqing, die bereits 2015 eröffnet wurde. Bei der Eröffnung gab es weder Straßen noch Geschäfte; die Station wurde als “Station im Nichts” bezeichnet. Mit dem Bau von Straßen im November 2019 und der späteren Einbindung in ein wachsendes Stadtviertel hat sich Caojiawan zu einem funktionalen Verkehrsknotenpunkt entwickelt.
Geldfrage: Investitionen und wirtschaftliche Probleme
Die Urbanisierungsstrategie erfordert enorme finanzielle Mittel. Die geplante Lanzhou New Area wurde mit 12,9 Milliarden Euro ausgestattet, mit dem Ziel, bis 2030 eine Million Einwohner anzuziehen. 2016 lebten dort allerdings erst 150.000 Menschen sowie 40.000 Arbeiter. Trotz kritischer Berichte im Westen werten chinesische Urbanisten den Zustand als erwartetes Zwischenstadium, nicht als Scheitern.
Der finanzielle Druck auf die U-Bahn-Unternehmen ist groß. 28 U-Bahn-Unternehmen mussten Schulden in Höhe von 525 Milliarden Euro offenlegen. Shenzhen, bekannt für sein stark frequentiertes U-Bahn-System, meldet tägliche Verluste von 13,3 Millionen Euro. Solche Belastungen gehören zu einer Strategie, die hohe Schulden und laufende Betriebskosten einkalkuliert, um langfristige städtebauliche Ziele zu erreichen.
Schwierigkeiten und Kritik
Die “Infrastruktur zuerst”-Strategie bringt auch große Herausforderungen mit sich. 2018 untersagte Peking Städten mit weniger als drei Millionen Einwohnern den Bau neuer U-Bahn-Projekte, um eine ungeordnete Verschuldung zu verhindern. Der Vorfall in Zhengzhou im Jahr 2021, als eine U-Bahn wegen extremer Regenfälle überschwemmt wurde, machte die Notwendigkeit sorgfältiger Planung und besserer Qualitätskontrollen deutlich.
Westliche Kritik richtet sich oft gegen den scheinbar verschwenderischen Umgang mit Ressourcen und das Phänomen leerer Stationen. Chinesische Planer sehen die aktuell geringe Nutzung hingegen als normale Phase auf dem Weg zu voll entwickelten Stadtquartieren mit einer geplanten Bau- und Entwicklungszeit von 15–20 Jahren.
Ein anderer Blick und Ausblick
Die Strategie “Infrastruktur zuerst, Bevölkerung danach” zeigt, dass China bereit ist, große Wetten auf die Zukunft zu platzieren. Chinesische Akteure formulieren das als “die Kunst, das Morgen heute zu bauen” und betrachten die anfänglichen Kosten als Investition in eine langfristige Wertsteigerung von Immobilien. Eine Studie aus Wuhan hat gezeigt, dass allein die Anwesenheit einer U-Bahn-Station den Wert von kommerziellen Grundstücken im Umkreis von 400 m erhöht.
Für Leser bedeutet das: Chinas Ansatz verschiebt die Sichtweise auf Stadtplanung — weg vom kurzfristigen Projekt hin zu einem langjährigen Prozess. Andere Länder können daraus Lehren ziehen, wenn sie bereit sind, ähnlich riskante, aber potenziell lohnende Investitionen in ihre urbane Zukunft zu tätigen. Die Frage bleibt, ob sie diesen Weg gehen wollen.